Carsharing. Warum haben wir das nicht früher gemacht?

Seit über einem halben Jahr nutzt unsere Familie Carsharing. Zeit für eine Zwischenbilanz!

Unsere Ausgangslage
Wir sind zu sechst, heißt vier Kinder, zwei Erwachsene dazu kommt aktuell ein Austauschschüler. Meine Frau pendelt mit dem Zug nach München, ich arbeite viel von zuhause, Auswärtstermine nehme ich ebenfalls so gut wie immer mit der Bahn wahr. Unsere Kinder können die meisten Orte ihrer Aktivitäten von daheim aus mit dem Fahrrad erreichen. Bestimmte Termine (z.B. bis Mitternacht in Biberach, Besuche unserer Verwandtschaft in Oberschwaben oder Kurzurlaub auf der Hütte im Allgäu) lassen sich aber öffentlich nicht erreichen, zumal wir da manchmal auch mit viel Gepäck anreisen.
Im Juni 2018 beschloss die Familienkonferenz, das alte Familienauto zu verkaufen und von da an auf einen eigenen PKW zu verzichten. Auslöser war die Ankündigung unserer Werkstatt, dass unser sowieso schon reparaturanfälliges Auto dieses Mal für ca. 3.000 Euro repariert werden müsste.   

Das Carsharing-Angebot in Augsburg
Neben einem langjährig ehrenamtlich getragenen Anbieter („Bei Anruf Auto“) sind die Stadtwerke in Augsburg der Platzhirsch in Sachen Carsharing. Sie bieten ca. 180 Autos in der ganzen Stadt verteilt – vom kleinen Toyota bis zum langen Transporter, der für Umzüge genutzt werden kann. Die monatliche Grundgebühr beträgt 7,00 Euro (eine zusätzliche Partnergebühr beträgt 3,50), dazu kommen Kosten für Nutzungszeiten (unterschiedlich nach Wochentag und Fahrzeugmodell) und für gefahrene Kilometer (auch hier wird zwischen den Modellen unterschieden). In diesem Preis sind die Kosten fürs Tanken enthalten. Ausführliche Infos hier.

Eine glückliche Fügung
Gleichzeitig mit uns entschieden auch die Reihenhaus-Nachbarn, ihren eigenen fahrbahren Untersatz zu verkaufen. Wir boten den Stadtwerken die beiden Stellplätze an, die das Angebot annahmen. So stehen jetzt zwei Fahrzeuge vor der Tür und wir bekommen eine kleine monatliche Stellplatzgebühr. Natürlich stehen die Autos aber allen Nutzer/-innen des Carsharings zur Verfügung.

Die Bilanz nach einem starken halben Jahr
Die Hauptfrage, die wir uns heute stellen ist: „Warum haben wir das nicht viel früher gemacht?“. Wir haben viel Zeit, Nerven und vor allem Geld in den vermeintlichen Luxus eines eigenen Autos gesteckt. Heute müssen wir uns um nichts kümmern, können je nach Bedarf auf verschiedene Modelle zurückgreifen und sparen dabei sogar noch Geld. Und zwar ordentlich viel. Doch der Reihe nach:

-        Service
Die Buchung eines Autos geht per App. Man kann auch im Voraus ein Auto reservieren. Dies empfiehlt sich zum Beispiel bei großen Autos (9-Sitzer), die in den Ferien und an Wochenenden sehr begehrt sind. Ist ein Wagen reserviert, öffnet man das Auto mit der Karte und bekommt nach Eingabe einer PIN den Schlüssel. Falls es Probleme gibt, kann eine Hotline erreicht werden. Bei uns war da immer jemand am Telefon und konnte weiterhelfen. Die Autos werden von den Stadtwerken gereinigt und gepflegt sowie gegebenenfalls auch repariert.

-        Verschiedene KFZ
Für uns als (Groß-)Familie ist es gut, zwischen verschiedenen Autos wählen zu können. Für den Kurzurlaub im Allgäu auf der Hütte reisten wir mit fünf Kindern und Gepäck sowie Lebensmitteln im Neunsitzer an. Zum Abendtermin fuhr ich alleine im Toyota Aygo. Den Büroumzug erledigten wir mit dem Movano-Transporter. Und wenn zum Familienbesuch nicht alle Kinder mitfahren wollen oder können, reicht uns ein Mittelklassewagen.

-        Geld
Wir sind unterschiedlich viel gefahren und haben zwischen 80 und 480 Euro pro Monat an die Stadtwerke überwiesen. Die günstigste Fahrt kostete 2,58 – ich holte unseren Nachbarjungen von der Schule ab, da er auf Krücken angewiesen war. Die teuerste Buchung war ein dreitägiger Ausflug ins Allgäu mit einem 9-Sitzer, der mit knapp 220 Euro zu Buche schlug, da wir da auch über 350 Kilometer zurücklegten. Insgesamt haben wir in den sechs Monaten knapp über 1.190 Euro ausgegeben. Das bedeutet, dass wir nicht mal ein Drittel dessen brauchten, was wir für die besagte Autoreparatur hätten investieren müssen. Und wir reden noch gar nicht von KFZ-Steuer, Versicherung, Wertverlust des Autos und Sprit. Und wir hatten nie das Gefühl, irgendwo nicht hinzukommen.

Und was bringt das jetzt ökologisch?
Zum einen ist es so, dass jede Fahrt gebucht und extra bezahlt werden muss. Das heißt, dass wir gezwungen sind zu überlegen, ob die Fahrt auch nötig ist. Und manchmal habe ich mich dann doch fürs Rad entschieden und bin zum Termin nach Königsbrunn die 15 Kilometer einfach geradelt. Zum anderen kann man festhalten, dass jetzt schon drei Autos weniger auf der Welt rumfahren. Denn nicht nur der direkte Nachbar hat seinen Wagen verkauft. Im übernächsten Haus wurde der Zweitwagen abgeschafft, da die Frau jetzt die nötigen Autofahrten auch per Carsharing-Auto abwickelt. Und einige der älteren Kinder aus der Siedlung nutzen die Autos von unserem Stellplatz aus und müssen kein eigenes anschaffen. Insofern ist das ein kleiner Schritt, dass weniger Autos unsere Siedlung zuparken und weniger Schadstoffe durch die Autoproduktion entstehen. Und es wird insgesamt etwas weniger gefahren. Lohnt sich also. Für alle! Die negative Bilanz von Jürgen Marks kann ich also nicht bestätigen.

Disclaimer
Ich bekomme von den Stadtwerken eine Stellplatzgebühr. Die ist aber unabhängig davon, ob und wieviel das Auto gefahren wird. Ansonsten habe ich außer als Gaskunde zu den Stadtwerken keine Geschäftsbeziehung.

Jochen Mack
Paul-Klee-Str. 26
86157 Augsburg