Auch schön – der erste Beitrag auf meinem neu gestarteten Blog ist gleich Teil der Augsburger Blogparade. Aufgrund des geplanten Profils meines Blogs, lag ein Artikel zur Engagementlandschaft in Augsburg förmlich in der Luft. Vorausschicken will ich, dass ich keinen Anspruch auf Vollständigkeit stelle. Ich werde vor allem das beschreiben, was sich mir zeigt und das ist schon fast zu viel für einen Artikel. Mein Ziel ist, meist Verborgenes zu beleuchten und zu einer besseren Würdigung beizutragen.
Beginnen möchte ich mit einer steilen These: Die große Welle zivilgesellschaftlichen Engagements konnte in Deutschland entstehen, weil es hier eine lange und breit verankerte Tradition gibt, sich für andere einzusetzen. Anders formuliert: Es gibt viele Orte, an denen Engagement gelernt und geübt werden kann. Dieses gelernte Wissen wird jetzt von vielen abgerufen, auch wenn es sich sehr unterschiedlich zeigt.
Alleine in der Unterstützung von Flüchtlingen sind in Augsburg mindestens drei Modelle von Engagement zu beobachten: Ganz spontan mit großem Einsatz und viel Herzblut engagiert sich die lose Initiative „Übergepäck eines Flüchtlings“. Schon mit etwas festeren Strukturen und professioneller Unterstützung ist das „Grandhotel Cosmopolis“ tätig, ein bundesweit beachtetes Experiment, ein Hotel und eine Flüchtlingsunterkunft unter einem Dach zu betreiben. Seit über 20 Jahren arbeitet „Tür an Tür“ für Flüchtlinge. Aktuell sind dort über 30 Hauptamtliche und viele Ehrenamtliche in verschiedenen Projekten aktiv – und waren dies auch, als sich fast niemand für geflohene Menschen interessierte.
Und was lernen wir daraus? Es gibt unterschiedliche Motive, unterschiedliche Grade der Verbindlichkeit, es gibt sehr langfristiges Engagement oder spontanen und kurzfristigen Einsatz für andere. „Ehrenamt“ wird manchmal professionell angeleitet und begleitet, es gibt Aus- und Fortbildungen dafür, während andere „einfach anfangen“ und im Tun ihr Know-how aufbauen. Wahrscheinlich ist das Verbindende, dass es erfüllend ist, sich aktiv in die Gesellschaft einzubringen – und letztlich auch immer etwas zurückkommt, wenn dies auch keine Lohntüte am Monatsende ist.
Immer in Bewegung: Ehrenamt im Sport
Relativ professionalisiert ist das Engagement im Sport. Die Trainerinnen und Trainer werden fachlich aus- und fortgebildet, wenden meist viel Zeit auf – und bekommen meist eine klar festgelegte Aufwandsentschädigung. Ein Trainer einer Nachwuchsfußballmannschaft leitet in der Regel zwei Trainings pro Woche, betreut die Mannschaft bei einem Spiel am Wochenende und hat dann noch die Kommunikation mit Eltern und Verein zu leisten – da sind schnell zehn Stunden pro Woche weg. Manche wie der erfolgreiche Leichtathletik-Trainer Philip Xenos und seine Kollegin Nicole Ziegler aus Augsburg bringen sich darüber hinaus noch in überregionalen Kadertrainings ein – auch das mit einer geringen Aufwandsentschädigung. In der Dauer des Engagements in Augsburg ungeschlagen ist wahrscheinlich Almut Brömmel, die dieses Jahr 80 Jahre alt wurde. Sie war Teilnehmerin bei den Olympiaden Melbourne (1956) und in Rom (1960) und leitetet heute noch zwei mal pro Woche das Wurftraining der LG Augsburg.
Die Anderen im Blick: Soziales Engagement
Ebenfalls oft unsichtbar ist der Einsatz vieler Frauen (und einiger Männer) im Sozialbereich. Vom Singkreis im Seniorenheim, dem Da-Sein im Hospiz, der Begleitung von sozial schwachen Familien, der Beratung als Sozialpaten bis zur Betreuung von Ferienfreizeiten im Jugendverband oder der Arbeit in (Vorstands-)Gremien – kaum eine soziale Einrichtung könnte ihr Angebot auf die Beine stellen, wenn sie nicht von vielen Menschen unterstützt würden, die sich kostenlos für Andere in Not einbringen. Interessant ist die Entwicklung des Vereins für Menschen mit Down-Syndrom einsmehr, der viele Aspekte einer Selbsthilfegruppe hat und den Austausch unter den Familien erleichtert, der sich aber auch ausdrücklich politisch versteht und für eine größere Akzeptanz von Menschen mit Down-Syndrom in der Gesellschaft eintritt.
Politik mitgestalten!
In der Diskussion um Stuttgart 21 kam sie groß in Mode, die Bürgerbeteiligung. Seither gibt es geradezu eine Flut von Online-Anhörungen, Dialogveranstaltungen, Beteiligungsverfahren oder thematische Versammlungen für die Bürgerschaft bei gewissen Vorhaben. Zum Beispiel brachten sich sehr viele ein in der Diskussion um den Verlauf der Linie 5, bei der Entwicklung der Fahrradstadt 2020 oder der Planung des Lechs. Natürlich sind auch weiterhin viele Augsburger/-innen in Parteien aktiv, auch außerhalb der Wahlkämpfe. In der Politik ist grundsätzlich eine wichtige und heute oft knappe Ressource mitzubringen: Zeit. Oft sogar viel Zeit. In Augsburg gibt es darüber hinaus schon seit Jahren eine langjährige Tradition der aktiven Politikgestaltung durch die Bürgeraktionen – genannt sei die sehr rührige aus Pfersee, die sich oft und immer pointiert zu politischen Vorgängen zu Wort meldet, die den Stadtteil im Westen betreffen.
Praktisch und politisch: Engagement im Umwelt- und Naturschutz
Der Kampf für eine bessere Umwelt hat nicht nur eine politische Dimension. Die Aktiven, z.B. im BUND Augsburg sind auch aktiv in der Pflege von sensiblen Flächen oder beim Schutz von Tieren oder Insekten. Politisch, praktisch und wissenschaftlich sehr aktiv ist unter anderem der Ehrenvorsitzende des Naturwissenschaftlichen Verein für Schwaben, Dr. Eberhard Pfeuffer, der einem nicht nur den Idas-Bläuling nahebringen kann, sondern der auch z.B. mit seinen Büchern über den Lech gut erklären kann, wie wertvoll viele Biotope rund um Augsburg sind. Auch der Naturwissenschaftliche Verein Augsburg ist erwähnenswert: Dort werden seit 1846 hier vorkommende Pflanzen und Tiere dokumentiert und geschützt. Wer sich zum Beispiel über die 40 verschiedenen Bläulinge informieren will, kann dies hier tun (das sind übrigens Schmetterlinge).
Diese eigentlich schon zu lange, aber nicht im Ansatz vollständige Liste, soll durch das Engagement von (Groß-)Eltern abgeschlossen werden. Ob bei Aktionen wie dem Gesunden Pausenbrot, Hol- und Bringdiensten für sportliche oder kulturelle Veranstaltungen, dem Backen ungezählter Kuchen für den Verkauf bei Festen oder Turnieren oder der Mitarbeit in Gremien wie Elternbeiräten: Viele Veranstaltungen könnten nicht stattfinden und viele Anschaffungen wären nicht möglich, wenn nicht Eltern immer wieder aktiv werden würden. In den letzten Jahren sind auch in Augsburg immer mehr Fördervereine von Schulen und Kindertagesstätten entstanden, die Gelder einsammeln um Anschaffungen zu finanzieren.
Und – stimmt die These?
Wenn noch die Arbeit von Ehrenamtlichen in kulturellen Bereichen (z.B. Kinderchören) einbezogen wird, lässt sich schon nach diesem kurzen Streifzug sagen, dass sehr viele in unserer Gesellschaft von klein auf mit engagierten Menschen in Kontakt kommen und von deren Engagement profitieren. Und in Jugendverbänden sammeln schon Jugendliche z.B. in der Leitung von Jugendgruppen, Gremien oder Freizeiten Erfahrungen, was Engagement bedeutet, wie es geht, was es bringt – und dass es Spaß macht. Deshalb bleibe ich bei meiner These, dass auch die oft belächelte „deutsche“ Vereinsmeierei die Grundlage bildet für ein teilweise überwältigendes Engagement das es immer gibt und wie in einem Brennglas in der spontanen Hilfe für Flüchtlinge sichtbar wurde.
Dies muss nicht so bleiben. Gerade die immer größer werdende Mobilität und die zunehmend enge Taktung von Schule, Studium und Beruf lassen die Spielräume für Engagement immer enger werden. Die Quasi-Entlohnung durch Aufwandsentschädigung bringt ein anderes Selbstverständnis mit sich – hier könnte sich eine „Job-Mentalität" breit machen. Doch dies ist eine andere Geschichte, die ein andermal erzählt werden soll.
Disclaimer: Der Artikel ist gespeist aus meinen eigenen ehrenamtlichen Tätigkeiten, vor allem in Strukturen der (katholischen) Jugendverbandsarbeit. Beruflich begleite ich u.a. Verbände wie den SkF Augsburg, in dem ich viele engagierte Menschen erlebe. Unsere Familie profitiert von bewundernswertem Einsatz von Trainer/-innen, Jugendgruppenleiter/-innen, Kinderchorleiterinnen oder aktiven Eltern z.B. im Verein einsmehr. Ich selber bin Vorsitzender des Fördervereins der KiTa Hessenbachstraße, schmiere Brote für die Gesunde Brotzeit der Adlhoch-Schule und bin Mitglied bei den Grünen, im BUND Augsburg und dem DAV Augsburg.