Gut gedacht, schlecht gemacht - Das Budget für Ausbildung

Viele stellen sich die Frage, warum es an vielen Stellen so schleppend vorangeht mit den Bemühungen für eine inklusive Gesellschaft. Das kann man am Budget für Ausbildung sehen.

Gekritzel als Symbol für wirrwar bei Budget für Ausbildung

Eigentlich ist der politische Wille für eine inklusive Gesellschaft allgemein und auch für einen inklusiven Arbeitsmarkt parteiübergreifend formuliert. Viele Ministerien und Verwaltungen auf allen Ebenen arbeiten an Maßnahmen, die die Inklusion voranbringen sollen. Was ist also das Problem und warum hat man immer das Gefühl, dass so wenig vorangeht? Das kann man aus meiner Sicht gut am Budget für Ausbildung sehen.

Der gute Grundgedanke: Auch Menschen mit einer Beeinträchtigung sollen eine Berufsausbildung absolvieren können. Um dies zu ermöglichen, wurde zum 01.01.2020 das Budget für Ausbildung eingeführt. Darüber können junge Menschen mit Beeinträchtigung und deren Betriebe Unterstützungsleistungen bekommen. Der junge Mensch bekommt aus diesen Leistungen auch eine kleine Vergütung. Die Höhe der Unterstützung orientiert sich an den Bedarfen. Es kann da aber auch eine Arbeitsassistenz bewilligt werden, so dass das schon umfangreiche Leistungen sind.

Nach jetzt drei Jahren ist die Zahl der bewilligten Budgets für Ausbildung knapp dreistellig – wenn überhaupt. Bundesweit! Warum wird das aber nicht in Anspruch genommen. Kurz gesagt: Es ist zu unübersichtlich und es ergibt sich keine klare Linie.

Das hat mehrere Gründe:

  • Das Budget für Ausbildung ist – so ist zu hören – nicht sonderlich beliebt bei denen, die es bewilligen (und bezahlen) sollen – bei der Bundesagentur für Arbeit. Denn zunächst ist eine Bewilligung mit viel Aufwand verbunden. Es müssen Gutachten eingeholt werden, dann braucht der junge Mensch eine passende Ausbildungsstelle – evtl. ist noch ein Bildungsträger beteiligt, mit dem auch noch alles abgestimmt werden soll. Da gibt es deutlich geschmeidigere Lösungen. Das Budget für Ausbildung ist also sehr bürokratisch.
  • Unklar ist darüber hinaus die Zielgruppe des Budgets für Ausbildung: Die Personen sollen zum einen dauerhaft erwerbsgemindert sein, aber trotzdem eine reguläre Ausbildung oder zumindest eine mit dem Niveau Fachpraktiker:in absolvieren (also das, was man früher zum Beispiel unter Beikoch verstanden hat). Diese Anforderungen sind in sich widersprüchlich und man kann davon ausgehen, dass ein junger Mensch mit Beeinträchtigung, der oder die sich eine reguläre Ausbildung zutraut, kein Budget für Ausbildung braucht – am ehesten bräuchten Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen Hilfsmittel, um eine Lehre absolvieren zu können.
  • Der Hauptwebfehler liegt aus meiner Sicht in der Verknüpfung des Budgets für Ausbildung mit dem Niveau Fachpraktiker:in, für das mindestens ausgebildet werden muss. Dies beinhaltet neben einer praktischen Ausbildung im Betrieb theoretischen Unterricht in der Berufsschule auch in allgemeinbildenden Fächern.

Das bedeutet, dass die Zielgruppe von Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung von vorneherein de facto vom Budget für Ausbildung ausgeschlossen ist. Denn die Personen aus dieser Zielgruppe können die Berufsschule nur in den seltensten Fällen bewältigen, da der Stoff zu komplex und die Anforderungen zu hoch sind. Deshalb kommt ein Budget bei den allermeisten Personen mit einer kognitiven Beeinträchtigung gar nicht in Betracht. (Der Berufsschulstoff kann zwar außerhalb der Berufsschule von einem Bildungsträger vermittelt werden – von einer Reduzierung der Inhalte ist aber nicht die Rede).

Wenn doch, sind die Herausforderungen riesig: Die Person muss sich in zwei oder drei Gruppen bewegen: In einer Berufsschulklasse, im Arbeitsumfeld mit den Regeln des allgemeinen Arbeitsmarkts und gegebenenfalls in einer Gruppe bei einem Bildungsträger, der die Ausbildungsmaßnahme begleitet und z.B. wöchentlich einen Tag gestaltet zur persönlichen und/oder fachlichen Weiterentwicklung.

Das kann schon drei unterschiedliche Anfahrtswege bedeuten, die zu bewältigen sind. Dazu prägen diese drei Settings ihre eigene Kultur mit eigenen ausgesprochenen und unausgesprochenen Regeln. Und überall wird neuer Stoff vermittelt und neuer Input geboten. Das sind riesige Herausforderungen, die nur von sehr wenigen Personen mit einer kognitiven Beeinträchtigung zu bewältigen sind.

Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass die Zahlen dieses gut gemeinten Instruments Budget für Ausbildung so katastrophal sind. Es verblüfft aber, dass die Bundesregierung auch jetzt nach fast drei Jahren offensichtlich überhaupt keine Veranlassung sieht, etwas Grundlegendes zu verändern oder zumindest Versuche zu starten, wie eine erfolgreiche Umsetzung aussehen könnte.

Zusammengefasst kann man also sagen - und das ist bezeichnend für die Inklusionsbemühungen in Deutschland: Viele gut gemeinte Maßnahmen sind zu kompliziert, zu bürokratisch und gehen an den Voraussetzungen und Bedürfnissen der Menschen vorbei, die das in Anspruch nehmen sollen. Deshalb gelingt es an vielen Stellen nicht, die eingefahrenen Strukturen aufzubrechen.

Meine Überzeugung: Sollte die große Zielgruppe der jungen Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung das Budget für Ausbildung in Anspruch nehmen können, müssen die Anforderungen so gestaltet werden, dass die jungen Menschen das lernen, was sie brauchen, um im Berufsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durchstarten zu können.

„Unser“ Augsburger Modell sieht aktuell eine einjährige fokussierte fachliche Ausbildung für einen Teilbereich der Hotellerie vor. Also entweder Küche, Service oder Housekeeping. Einen Monat zu Beginn und dann monatlich eine Woche lang bekommen die Teilnehmenden im hauseigenen Unterricht das vermittelt, was sie brauchen, um gut arbeiten zu können. Die Themen beschäftigten sich mit der Funktionsweise eines Hotels, Kommunikation im Team, Umgang mit Gästen sowie zum Beispiel die Rechte und Pflichten als Arbeitnehmer:in. Auf einen allgemeinbildenden Unterricht wird bewusst verzichtet, da das die Personen aus der Zielgruppe nicht näher an ihr Ziel bringt, gute Mitarbeiter:innen in Hotels des allgemeinen Arbeitsmarkts zu werden.

Das Modell war bisher sehr erfolgreich: In den ersten Durchgängen gelang deutlich über zehn von ca. 20 Teilnehmenden der Übergang aus einer Förderschule oder von einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) auf den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Und richtig: Dieses Modell wird jetzt seit fünf Jahren aus Spendengeldern finanziert – von den Sternstunden des Bayerischen Rundfunks sowie aktuell von der Aktion Mensch. Um die entstehenden Lohnkosten abzufedern, konnten wir Stiftungen gewinnen.

Nach unserer Überzeugung müssen solche Modelle erprobt und ausgebaut werden. Und: Sie müssen durch das Budget für Ausbildung finanziert werden. Dann und nur dann kann das Budget für Ausbildung noch zu einem Erfolg werden.

So kann es gehen: www.qualifizierung-einsmehr.de

Die fachliche Weisung der Bundesagentur für Arbeit ist hier zu finden:

Jochen Mack
Paul-Klee-Str. 26
86157 Augsburg