Jüdisches Leben in Augsburg

Jüdisches Leben in Augsburg hat eine sehr wechselvolle und auch leidvolle Geschichte erlebt. Wie waren die Entwicklungen und wo steht die Gemeinde heute?

Alte Jüdische Synagoge in Kriegshaber

Die jüdische Gemeinde in Augsburg baute eine der ganz wenigen Jugendstil-Synagogen in Deutschland. Das von außen unscheinbare und immer abgesicherte Gebäude in der Halderstraße beheimatet zudem das Jüdische Museum Augsburg. Doch was erzählen diese Mauern für eine Geschichte und wie sieht das Leben und Arbeiten dahinter aus? Im Rahmen der Reihe Westhousetalks beschrieb Carmen Reichert, die Direktorin des Jüdischen Museums eine mehr als wechselvolle Geschichte und eine fragile Gegenwart. Ihre Schilderungen fasse ich zusammen:

Der erste historisch gesicherte Beleg für jüdisches Leben in Augsburg geht auf das Jahr 1212 zurück. Zu der Zeit lebten einige Familien in der Augsburger Innenstadt um den heute noch immer so benannten „Judenberg“ sowie am Obstmarkt. In dieser Zeit waren Personen jüdischen Glaubens in der Stadt respektiert. Dies zeigte sich auch daran, dass es auf vier Fenstern im Augsburger Dom eine Abbildung aus dieser Zeit gibt, in der christliche Heilige mit Judenhut gezeigt werden. Dies kann als Zeichen der Wertschätzung gedeutet werden.

Dies hat sich aber in nicht allzu kurzer Zeit gewandelt. Nach ersten Pogromen in der Region wurden Personen jüdischen Glaubens im Jahr 1334 verpflichtet, einen gelben Kreis an der Kleidung zu tragen. Eine erste deutliche Form der Ausgrenzung. Dies hat sich ständig zugespitzt und führte dazu, dass die jüdische Bevölkerung im Jahre 1438 aus der Stadt ausgewiesen wurde – für fast 400 Jahre!

„Exil“ in Kriegshaber

Das damals eigenständige Dorf Kriegshaber (heute ein Stadtteil Augsburgs) gehörte zur vorderösterreichischen Grafschaft Burgau. Diese gestattete die Niederlassung von jüdischen Personen. Deshalb konnte dort eine Synagoge und ein jüdischer Friedhof errichtet werden und der Glaube praktiziert werden. Auf dem Foto ist die alte jüdische Synagoge in Kriegshaber zu sehen. Zeitweise war die Hälfte der Bevölkerung von Kriegshaber jüdischen Glaubens. Zudem konnten Jüdinnen und Juden tagsüber in die Stadt Augsburg gehen um dort Geschäfte zu machen. Aufgrund von gesetzlichen Regelungen waren sie von Zünften ausgeschlossen und betätigten sich zum Beispiel im Brauwesen, in der Beherbergung oder im Handel.

Rückkehr nach Augsburg

Auf Einladung der Stadt siedelte sich 1803 eine jüdische Bankiers-Familie in Augsburg an. Ihr folgten weitere, so dass wieder eine kleine Gemeinde entstand, die im Jahr 1860 eine Synagoge in der Winterstraße errichtete. In diesem Jahr wurden auch alle Beschränkungen aufgehoben, so dass sich Jüdinnen und Juden frei in der Stadt ansiedeln konnten. Die Gemeinde wuchs sehr schnell und wurde wohlhabend. Das zog auch jüdische Familien aus dem Umland an. Deshalb wurden bestehende Pläne für eine größere Synagoge in Kriegshaber fallengelassen und das schon gekaufte Grundstück an die katholische Kirchengemeinde verkauft.

Stattdessen wurde in der Zeit von 1914-1917 die Synagoge in der Halderstraße gebaut. Sie war auch ein Ausdruck von großen Hoffnungen der Gemeinden in diesen Jahrzehnten. Man glaubte, dass man auf Dauer Respekt und Akzeptanz finde, wenn man sich nur genügend anstrenge und sich assimiliere. Das Judentum nahm sich als einen selbstbewussten und selbstverständlichen Teil der deutschen Gesellschaft wahr und brachte dies zum Beispiel durch Bauten wie der Synagoge in Augsburg zum Ausdruck.

 

Schnelle drastische Verschlechterungen

Die Hoffnungen auf eine breite Akzeptanz wurden schnell zunichte gemacht. Nach dem ersten Weltkrieg wurden die Beiträge der jüdischen Soldaten geleugnet und durch das Erstarken des Rechtsextremismus wurde die Stimmung schnell wieder feindseliger. Trotzdem wuchs die jüdische Gemeinde weiter und hatte vor der Shoah ca. 1.200 Mitglieder. Diese wurden fast alle vertrieben oder gar getötet. Die neu gebaute Synagoge war in dieser Phase der Gemeinde also nur von 1917 bis in die Zeit des zweiten Weltkriegs Ort für die Gottesdienste.

 

Wiederaufbau

Nach den unbeschreibbaren Jahren der Shoah leben heute nur noch sehr wenige Nachkommen der Vorkriegsgemeinde in Augsburg.  Die Gemeinde ist wurde nach dem zweiten Weltkrieg von Menschen wiedergegründet, die die deutschen Konzentrationslager überlebt hatten. Ab den 1990ern kam eine starke Zuwanderung aus Osteuropa. Die größte Community stammt aus der Ukraine. Dort war vor der Zeit des Nationalsozialismus und der UDSSR die größte jüdische Gemeinde mit über einer Million Mitgliedern. Aber auch in Polen und Russland gab es viele Menschen jüdischen Glaubens.

Da die Ausübung von Religion in der Sowjetunion kritisch beäugt bis verboten war, wuchsen viele Jüdinnen und Juden auf in einem Gefühl der Zugehörigkeit zu ihrer Religion, ohne diese aber ausüben zu können. Da es dort so gut wie keine liberale Ausformungen des Judentums gab, bringen sie in der Regel eine traditionelle Vorstellung ihrer Religion mit.

 

Spannungsgeladene Gegenwart

Zur jüdischen Gemeinde zählen heute 1.300 Personen, also mehr als vor der Shoah. Seit dem Anschlag in Halle wurden auch in der Augsburger Synagoge die Sicherheitsvorkehrungen verschärft. Nach dem Überfall der Hamas auf Israel am 7.10.2023 verschärfte sich die Bedrohungslage weiter, so dass Museum und Jüdische Gemeinde für einen Monat komplett schließen mussten. Erst nach einer weiteren Erhöhung der Sicherheitsmaßnahmen konnten Gebete wieder stattfinden und der Museumsbetrieb wieder starten. Neben einem rechtsextrem motivierten Antisemitismus wurde auch ein islamistischer Antisemitismus sichtbar, der sich in Augsburg u.a. darin zeigte, dass die israelische Fahne von jungen Menschen mit diesem Hintergrund vor dem Rathaus entfernt wurde. I

Zunehmend Sorge bereitet jüdischen Menschen und Expert:innen, dass sich auch in sich als links-progressiven Kreisen sowie in bürgerlichen Milieus ein offener Antisemitismus zeigt. So hat sich Hubert Aiwanger vor der letzten Landtagswahl nie eindeutig von Antisemitismus distanziert und die Freien Wähler haben trotzdem (oder sogar deswegen) bei den Landtagswahlen Zugewinne erzielt.

 

Vor diesem Hintergrund ist das Jüdische Museum Augsburg so wichtig. Denn dort wird über die Geschichte der jüdischen Gemeinde informiert. So können Vorbehalte abgebaut werden. Und – sehr besonders: Es ist das erste seiner Art in Deutschland und wurde schon 1985 gegründet. Neben Ausstellungen gibt es dort auch eine Vielzahl von Veranstaltungen. Für weitere Informationen: https://jmaugsburg.de/

Jochen Mack
Paul-Klee-Str. 26
86157 Augsburg